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Ein Baby spitzelt aus einem Tragetuch, es schaut auf einen Hund, einen Baum – und dann ganz schnell weg. Es schmiegt sein Köpfchen an Papas Brust. Was war das denn? "Kommunikation", sagt der Kinderarzt und Autor Dr. Herbert Renz-Polster aus Vogt bei Ravensburg. Aus ihrem sicheren Nest – im Tragetuch, Tragesitz oder auf Papas oder Mamas Arm – erkunden Babys ihre Umwelt. Wird es ihnen zu viel, ziehen sie sich zurück.

Kinder sind Traglinge

Kinder sind Traglinge, sie kommen unreif auf die Welt und sind auf die Pflege und den Schutz ihrer Eltern angewiesen. Doch Tragen kann mehr. Es macht feinfühlig und stärkt die Bindung. Das beobachtete die US-amerikanische Forscherin Elizabeth Anisfield in einem Experiment mit sozial benachteiligten Müttern bereits Mitte der 1990er-Jahre. Diejenigen, die ihr Baby trugen, reagierten nach wenigen Monaten sensibler auf ihr Kind. Nach einem Jahr konnte Anisfield bei 83 Prozent der Tragekinder eine sichere Bindung feststellen, bei den Nicht-Getragenen nur bei 38 Prozent. Eine schweizerisch-amerikanische Studie zeigte, dass Säuglinge, die regelmäßig getragen werden, seltener weinen als Babys, die nicht oder selten getragen werden – in der Studie immerhin 43 Prozent weniger.

Bedürfnis nach Nähe

Doch wie schafft Tragen diesen Effekt? Erstens, weil es das Bedürfnis nach Nähe erfüllt. Zweitens, weil Babys ihren Körper sprechen lassen. Hat ein Baby etwa Hunger, spannt es seinen Körper eher an. Ist es müde oder wird ihm alles zu viel, wendet es den Kopf ab. "Diese Signale spüren Eltern, die ihr Baby tragen, unmittelbar mit ihrem eigenen Körper", erklärt Renz-Polster. Die Kommunikation zwischen Eltern und Kind ist also niederschwellig, Papa und Mama können rasch reagieren. In der Trage dürfen die Kleinen übrigens so lange sein, wie Eltern und Kind mögen. "Es gibt keine fixe Zeit, nach der man sagen könnte: Hui, jetzt wird es ungut", erklärt Frauke Ludwig, Leiterin der Trageschule Hamburg.

Die Motorik profitiert

Auch die Motorik profitiert vom Tragen. Babys gleichen nämlich die  Bewegungen von Mama oder Papa aus. "Das ist pures Workout für die  Muskeln", sagt die Trageberaterin. Außerdem haben Kinder einen  Entwicklungstrieb, ein Krabbelkind will und wird also krabbeln. Möchte  es in die Trage, ist das keine Faulheit. "Es stillt sein Bedürfnis nach  Nähe oder ist müde", so Renz-Polster. Der Mediziner weist auch auf eine  Entwicklung hin, die Kinderärzte beschäftigt: "Deutlich mehr Babys als  noch vor zwanzig Jahren haben einen platten Hinterkopf." In einer  australischen Studie sprechen Wissenschaftler von 22 Prozent der  Säuglinge. Geschuldet sei dies der Rückenlage, in der Babys heute  vorwiegend liegen. Natürlich aus gutem Grund, denn sie beugt beim Schlafen dem plötzlichen Kindstod vor. Doch sind die Kinder wach und die  Eltern beschäftigen sich aktiv mit ihnen, dürfen die Kleinen  regelmäßig in Bauchlage ihre Umwelt erkunden. "Gibt es für den platten Hinterkopf keine andere Ursache als die Rückenlage, kann Tragen ideal vorbeugen", sagt Renz-Polster.

Tragetuch ist Typfrage

Getragen wird das Kind in Tragetüchern oder Tragehilfen. "Für welche Variante Eltern sich entscheiden, ist eine Typfrage", so Frauke Ludwig. "Tragetücher  brauchen etwas Übung, da müssen sich Eltern erst reinfuchsen. Aber dann  bieten sie totale Flexibilität." Schon Neugeborene dürfen nämlich ins Tuch, und auch Dreijährige hält es noch. Und wie sollte das Baby in der Trage sitzen? Neugeborene ziehen unwillkürlich die Beine an, wenn man  sie hochnimmt. "Das ist die Basis der Anhock-Spreiz-Haltung, der korrekten Tragehaltung", sagt Ludwig. In der Trage bilden Beine und Po dann ein M, die Hüftgelenke sind um etwa 90 Grad gebeugt. Baumeln sollten die Beine nicht. Bei den ganz Kleinen muss die Trage auch das Köpfchen sicher stützen.

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