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Linkshänder gelten in unserer Gesellschaft immer noch als etwas Besonderes. Wenn also Lady Gaga ihren Golden Globe Award mit der linken Hand in die Höhe streckt oder Bill Gates mit links unterschreibt, fällt uns das immer noch auf. Ob ein Mensch nun die rechte oder die linke Hand bevorzugt (Händigkeit), wird "im Kopf" entschieden: Um die hochkomplexen Abläufe des Gehirns zu steuern, muss eine Hirnhälfte die Führung übernehmen. Im Falle des Linkshänders ist es die rechte Hälfte, die dominiert.

Die überwiegende Mehrheit der Menschheit ist Rechtshänder. Wie die Verteilung von Links- und Rechtshändern weltweit genau aussieht, lässt sich aber nur schwer sagen. Die Schätzungen des Linkshänderanteils schwanken zwischen etwa fünf und 30 Prozent. Zu diesen unterschiedlichen Ergebnissen kann es kommen, wenn zum Beispiel lediglich nach der jetzt bevorzugten Schreibhand gefragt wird, der Interviewte aber bereits als Kind zur Rechtshändigkeit umerzogen wurde.

Eine Sache der Gene?

Sicher ist, dass unsere Welt zum großen Teil für Rechtshänder gemacht ist: Autos, Türen, Stifte, Gurkenschäler, Spiralblöcke – alles perfektioniert für die rechte Hand. Deshalb halten manche Menschen auch heute noch die Rechtshändigkeit fälschlicherweise für "richtig". Dabei ist es nach Ansicht vieler Wissenschaftler sehr wahrscheinlich, dass uns Linkshändigkeit (Sinistralität) oder Rechtshändigkeit bereits in die Wiege gelegt wird, dass sie etwas mit der Genetik zu tun hat. Beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Linkshänder-Pärchen ein linkshändiges Kind bekommt, bei 50 Prozent. Sind beide Elternteile Rechtshänder schwinden die Chancen auf gerade mal zwei Prozent. Welche Rolle die Vererbung allerdings im Detail spielt, weiß man nicht. Denn verblüffend ist beispielsweise: Ein Viertel aller eineiigen – und somit genetisch identischen – Zwillinge haben eine unterschiedliche Händigkeit.

Ist mein Kind ein Linkshänder?

"Es gibt Kinder, bei denen merkt man sehr früh, ob sie Links- oder Rechtshänder sind," sagt Dr. Johanna Barbara Sattler, Psychologin und Leiterin der Ersten Deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder und umgeschulte Linkshänder. "Die greifen schon gezielt mit der linken oder rechten Hand nach Spielzeug oder Essen." Bei anderen Kindern lässt es sich nicht so leicht beobachten. "Da kann es mitunter bis zum vierten Lebensjahr dauern, bis man erkennt, um welche Händigkeit es sich handelt," so die Expertin. Spätestens mit der Einschulung sollte die Händigkeit entschieden sein. Wenn nicht, kann das in der Schule durchaus zum Problem werden: Ein mehrmaliges Umstellen der Schreibhand kann für die Entwicklung des Kindes nachteilig sein.

Experten warnen vor einer Umschulung

"Eltern sollten ihre Kinder auf keinen Fall im Handgebrauch umschulen," sagt Sattler. "Daraus könnten Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten oder auch feinmotorische Probleme entstehen." Die Psychologin gibt jedoch zu bedenken, dass "eine umgeschulte Händigkeit nicht das Alibi für alle Auffälligkeiten beim Kind sein dürfe." Natürlich kann der wechselnde, unstabile Handgebrauch unter Umständen auch Koordinationsprobleme verursachen. "Aber oftmals liegen diesen Symptomen auch ganz andere Störungen (zum Beispiel ADS oder feinmotorischen Störungen) zu Grunde", so die Expertin.

Schluss mit der "schönen Hand"!

Die Spezialistin rät, möglichst wenig Wirbel um die Sinistralität zu machen. "Allerdings sollte man die Kinder auf alle Fälle schützen vor Eingriffen in den Handgebrauch, wie zum Beispiel die Aufforderung zum Geben der ‚schönen Hand‘," sagt sie. "Das Kind sollte sich in seiner Händigkeit entwickeln können, ohne, dass große Diskussionen darüber entstehen."

Tipps im Alltag:

  • Schuhe binden: "Wichtig ist, dass immer dieselbe Person zeigt, wie das geht", so Sattler. "Wenn die Mutter eine andere Schleife als die Kindergärtnerin macht, kommt das Kind durcheinander." Idealerweise hält die nicht dominante Hand die Schleife und die dominante legt das Band herum.
  • Essen: Wenn Sie vermuten, dass Ihr Kind Linkshänder ist, hier ein Tipp: Platzieren Sie beim Tischdecken den Löffel einfach mittig – Griff Richtung Kind – in den Teller. Es wird sich dann mit der jeweiligen bevorzugten Hand entscheiden. Ist Ihr Kind eindeutig linkshändig, wird Gabel und Löffel so gedeckt, dass es diese problemlos und bequem mit der linken Hand erreichen kann. Das Glas sollten Sie auf die linke Seite stellen. Wie Sie später Messer und Gabel hinlegen, kommt auf die Benutzungsgewohnheit ihres Kindes an: "Manche Linkshänder schneiden lieber mit links, manche behalten lieber die Gabel in der Linken," so Sattler. Beobachten Sie also Ihr Kind und stellen Sie sich einfach beim Tischdecken auf seine Gewohnheiten ein. Konventionelle Eindecktraditionen müssen zu Hause nicht eingehalten werden.
  • Stift- und Blatthaltung: Das Blatt sollte etwas links der Körpermitte und leicht im Uhrzeigersinn gedreht sein. Für ein entspanntes Schreiben sollte das Stiftende etwa zur linken Schulter zeigen. Dabei bleibt die Hand immer unterhalb der Schreiblinie. Dies ermöglicht ein Schreiben, ohne Tinte zu verwischen. Für die richtige Lage des Blattes sind auch spezielle Schreibunterlagen mit Markierungen erhältlich. Die richtige Stift- und Blatthaltung ist auch deswegen wichtig, da sich viele Linkshänder sonst die so genannte "Hakenhaltung" angewöhnen, die zu Überdehnungen in den Armgelenken und später auch zu Verspannungen im Halswirbelbereich führen kann.
  • Schreibrichtung: Da die Blick- und Schreibrichtung vieler Linkshänder von rechts nach links verläuft, kann es anfangs zu Problemen kommen. Bei den ersten Schreib- und Leseübungen sind Verdrehungen von Buchstaben, Silben und Ziffern und auch die Verwendung von Spiegelschrift möglich. Keine Sorge: Meist ist es ein vorübergehendes Phänomen.
  • Materialien: Bei der Auswahl des Füllfederhalters sollte darauf geachtet werden, dass sich die Spitze gut schieben und ziehen lässt. Dabei sollte sie nicht zu viel Tinte abgeben und schnell trocknen. Spezielle Linkshänderfüller mit spezifischer Griff- und Federform werden von einigen Firmen angeboten. Weitere Linkshänderprodukte wie Schere, Spitzer, Lineal, Spiralblock etc. sind ebenfalls erhältlich.
  • Sitzposition: "In der Schule sollten Linkshänder auf der linken Seite sitzen," so Sattler. Zumindest sollte vermieden werden, dass zur linken Seite ein rechts-schreibendes Kind sitzt. Die Bewegungsfreiheit wäre eingeschränkt. Zu Hause sollte das Licht von rechts auf die Arbeitsfläche fallen.