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Bei Merle geht Liebe durch den Magen: Wer in der Gunst unserer Tochter ganz oben stehen will, gibt ihr einfach regelmäßig ­etwas Leckeres zu essen. Ich, zum Beispiel, erschleiche mir Merles Zuneigung jeden Mittag aufs Neue mit einem Gläschen fein pürierten Obst. Williams-Christ-Birne, ohne Stückchen, ab dem 4. Monat. Merle liebt ihren Nachtisch. Und weil ich ihn ihr gebe, liebt sie mich. Zugegeben, das Prinzip ist simpel und erhebt – wenn man mal ehrlich ist – nicht unbedingt Anspruch auf das exklusive Vorhandensein meiner Person. Aber da ich derzeit die Einzige bin, die zu Merles Wachzeiten für Futter sorgt, agiere ich auf der Mama-Papa-Wettbewerbsbühne seit Beikost­einführung ­quasi außer Konkurrenz. Muss ja keiner wissen.

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Das Buch zur Kolumne

Geschichten über Schwangerschaft und Babyzeit – mit Witz und Charme erzählt von einer jungen Mutter zum Artikel

Mama-Kind? In Wahrheit liegt's am Nachtisch!

Um über diesen trivialen Kausalzusammenhang hinwegzu­täuschen, habe ich in den letzten Wochen nur allzu gerne mit Merles überschwäng­licher Mama-Liebe geprahlt: "Ja, du armes Baby, du willst zur Mama", streute ich möglichst oft ein, wenn sie auf dem Schoß ihres Papas mit der Unterlippe zitterte oder sehnsüchtig die Händchen nach mir ausstreckte. Oder: "Hach, sie ist aber auch so ein Mama-Kind geworden." "Das ist echt unfair, ich wickle sie jeden Morgen", beschwerte er sich. "Und das ist nicht immer schön!" "Ist bestimmt nur eine Phase", antwortete ich und lächelte. Insgeheim war ich hoch zufrieden mit meinem VIP-Status.

Aus Mama-Liebe wird Mama-Fixierung

Seit gut vier Wochen ist das anders. Aus Merles Mama-Vorzugsbehandlung ist nämlich ein handfester Mama-Knall geworden. Heißt: Merle brüllt laut Geräuschpegel-App mit etwa 100 Dezibel, weil ich den Raum für die Dauer von Sekunden verlasse. Merle turnt am Bade­wannen­rand herum und zieht am Duschvorhang, während ich hinter selbigem stehe. Merle schläft nur ein, wenn ich durch die Gitter­stäbe Händchen halte. Merle lässt sich lieber zehn Meter an meinem Bein über den Boden schlei­fen, als hinzunehmen, dass ich dem Postboten ­ohne ­ihre Anwesenheit die Tür öffne. Und ja: Ich bin genervt. Aber das kann ich natürlich jetzt nicht mehr einfach so zugeben.

Ein Papa-Kind hat seine Vorteile

Stattdessen habe ich Felix – großzügig, wie ich bin – einen heißen Tipp gegeben: Er probiert es jetzt nach Feier­abend mit Williams-Christ-Birne. Fein püriert, ab dem 4. Monat. Siehe da: "Sie wollte gerade freiwillig zu mir auf den Arm", berichtete Felix letztens stolz, während sich unsere Tochter prinzessinnengleich von ihm beim Tragen füttern ließ. "Ich glaube, sie wird immer mehr ein Papa-Kind." "Na, da kannst du dich ja freuen", murmelte ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Und dann ergriff ich die Chance, das zu tun, was ich schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr getan hatte: zur Toilette gehen. Ganz alleine.