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Meine Mutter entzauberte meine Illusion vom glückseligen Wochenbett schon vor der Niederkunft. "Die ers­ten zwei Monate sind verdammt hart", prophe­zeite sie. Ich war em­pört über so viel Schwarzmalerei und glaubte lieber an das, was ich im Geburtsvorbereitungskurs gelernt hatte. "Das Wochenbett könnt ihr euch vorstellen wie Flitter­wochen mit dem Baby, wie ein Tanz der Liebe", hatte meine Heb­amme geschwärmt, während Felix und ich die Kreuzbeinmassage auf der Isomatte übten.

Flitterwochen mit Baby? Babyblues und Milchstau!

Zwei Wochen nach der Geburt tanzten vor allem meine Hormone. Ich heulte wegen jeder Kleinigkeit. Und so süß un­sere kleine Merle war: Ich fühlte mich völlig überfordert. Während ich meinen Tag damit verbrachte, Stillhütchen auszukochen, Spucktücher zu waschen und meinen Busen wechselweise anzuwärmen, zu massieren und zu kühlen, machte unsere Kleine ihren Bedürfnissen lautstark Luft – ­und wir orakelten, warum. "Sie hat Hunger", sagte Felix. "Sie hat erst getrunken", sagte ich. "Vielleicht hat sie Blähungen", mutmaßte mein Liebs­ter. "Das würde man hören", antwortete ich. "Volle Windel?", fragte ­Felix. "Ich riech nix", sagte ich. Statt Honeymoon gab’s schlaflose Nächte, Babyblues und Milchstau.

Gut gemeinte Ratschläge? Nervtötende Einmischung!

"Das ist die Überforderung am Anfang", erklärte meine Mutter mir, wohl wissend, dass sie mich vorgewarnt ­hatte. "Ach ja?", fragte ich gereizt, wohl wissend, dass sie verdammt noch mal recht ge­habt ­hatte. "­Bade sie doch mal öfter, das warme Wasser macht sie ­müde", schlug meine Mutter vor, als ich von Merles letzter Schreitirade berichtete. "Baden soll man nicht so oft, das ist schlecht für die Haut", sagte ich. "Ich ­habe euch früher jeden Abend gebadet", entfuhr es meiner Mutter be­leidigt. "Hat’s ­euch geschadet?" Unser Gespräch en­dete wie so oft in letzter Zeit: Ich warf ihr vor, sich einzumischen. Und sie warf mir vor, ich würde ihr vorwerfen, sich immer einzumischen. Zuge­geben, ich war genervt.­ Denn auch der Rest der Verwandtschaft geizte nicht mit guten Tipps. "Das Kind muss öfter spazieren gefahren werden", war mein Schwieger­vater, Frischluftfanatiker und Kinderwagenfinanzierer, überzeugt. "Sie ist wahrscheinlich zu kalt angezogen", vermutete meine Tante und schickte einen Stapel warmer Unterhosen. Reine Wolle, vorgewaschen.

Aber ein paar Tipps schaden auch nicht...

Drei Wochen später hörte Merle von ganz alleine auf zu ­schreien. Dafür übergab sie sich gleich zweimal im ­großen Schwall nach dem Stillen. Beim ersten Mal erschrak ich gewaltig und tat instinktiv das, was mir als einzig richtige Maßnahme erschien. Ich griff zum Telefonhörer. "Du, Mama, kannst du dich bitte noch mal einmischen?"