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Emil war ein Phänomen. Kaum fünf Monate alt, futterte er alles, was ihm mit dem Löffelchen serviert wurde. Doch während ich beim Treffen der Krabbelgruppe fasziniert beobachtete, wie er den Mund aufsperrte, ignorierte meine Kleine, ebenfalls fünf Monate, den Beikost-Streber.

Ich aber beschloss: Was Emil kann, kann Emma schon lange. Am nächsten Tag bot ich meiner Tochter den ersten Löffel fein pürierte Karotte an. Doch der Emil-Effekt blieb aus und Emmas Mund zu – für viele Wochen. Sie schlug mir den Löffel aus der Hand oder nahm ihn mir ab, um ausgiebig daran zu lutschen. Wenn ich versuchte, etwas Karottenbrei in ihren Mund zu schmuggeln, wurde sie sauer. Ich probierte weiter – beim Weinen machte sie immerhin den Mund auf –, bis wir beide heulten. Für Emma und mich war das Thema Beikost eine spaßfreie Zone. Sie war ge­nervt und ich gestresst.

Monika Ziebart ist Ernährungsberaterin in München

Monika Ziebart ist Ernährungsberaterin in München

Baby verweigert Beikost – ist das schlimm?

Vier Wochen waren schon vergangen, und wir experimentierten immer noch mit Karotte! Sollte man nicht in der zweiten Woche schon Kartoffeln einführen? "Bloß kein Stress", sagt Monika Ziebart, Ernährungsberaterin aus München und selbst Mutter von fünf Kindern. "Nach dem vollendeten vierten Monat kann mit der Beikost begonnen werden, muss aber nicht. Genauso hat jedes Kind individuelle Vorlieben, und manch einer bevorzugt eben wochenlang nur Karotten- oder Pastinakenbrei." Vielmehr sollten Eltern darauf achten, ob das Kind zeigt, dass es reif ist für die erste Beikost: Es erforscht Dinge mit dem Mund, kann seinen Kopf allein halten und auch wegdrehen, es imitiert eventuell­ sogar die Kaubewegungen der Großen. Meine Tochter konnte vor allem eines: die Lippen fest geschlossen halten.

Bald folgten die anderen aus der Krabbelgruppe Emils Beispiel. "Wir sind schon bei 120 Gramm", prahlte Pias ­Mama. Wir waren immer noch bei drei Löffelchen, die ich Emma mit viel Geduld jeden Mittag abtrotzte. Ich wollte mitreden, ich wollte Pias 120 Gramm übertrumpfen, ich wollte langsam abstillen. Meine Tochter streikte. Ich bekam ein schlechtes Gewissen. Unser tägliches Brei-Drama stresste Emma. Kein Wunder, dass sie die kuschelige Stilleinheit nicht aufgeben wollte. Doch in drei Monaten würde ich wieder arbeiten gehen, sollte ich sie mit ins Büro nehmen?

Expertin: Kinder wissen, wann sie satt sind

Schließlich kam unsere Hebamme zur Beikostberatung, nach dem Wochenbett übernimmt die gesetzliche Krankenkasse­ auch hierfür die Kosten. Wir stoppten das Projekt Brei fürs Erste. Ich erkannte, dass drei Monate für mich eine kurze Zeitspanne waren, für meine kleine Tochter jedoch eine Ewigkeit.

Mit knapp neun Monaten aß Emma ein halbes Gläschen Obst-Getreide-Brei, nicht mehr und nicht weniger. "Nur weil 190 Gramm im Gläschen sind, muss das Kind nicht alles aufessen", sagt Monika Ziebart. "Kinder hören noch auf ihren Bauch und wissen, wann sie satt sind." Sie drehen dann zum Beispiel den Kopf zur Seite oder machen den Mund einfach nicht mehr auf.

Anfangs wichtig: Essen mit allen Sinnen erfahren

Noch immer hatten Emma und ich beim Füttern unterschiedliche Ziele. Ich wollte den Brei schnell aus der Schüssel in ihren Mund bekommen. Sie wollte die Hand in den Brei stecken, ihn sich genüsslich ins Gesicht schmieren oder den Tisch damit einbalsamieren. Ich ­atmete tief durch und ließ es zu. "Richtig so", sagt Ziebart. "Essen ist für Kinder nichts Steriles und Kleckern normal, sie sollten Essen mit allen Sinnen erfahren." Kurz darauf, nach ihrem ersten Geburtstag, nahm meine Tochter ihr Essen endgültig selbst in die Hand, und unsere Mahlzeiten wurden entspannter.

Heute futtern Emil und Emma, beide mittlerweile drei Jahre alt, um die ­­Wette. Ich habe mich mit Emmas kleinem Bruder zum zweiten Mal auf das Experiment Beikost eingelassen. Und war verblüfft, als er den Mund beim ersten Löffel ganz weit aufsperrte.