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Anzeichen für ein verkürztes Zungenbändchen

Das Baby nuckelt, schmatzt, saugt Luft, lässt die Brust beim Stillen los – und dann beginnt das Ganze wieder von vorne. Als Mutter ist das nicht nur verunsichernd, sondern meist auch richtig schmerzhaft. Hinter solchen Problemen beim Stillen kann ein zu kurzes Zungenbändchen stecken. Auch wenn das Baby sehr oft an die Brust will, besonders lange trinkt oder die Brustwarzen nach dem Anlegen verformt sind, sind das mögliche Anzeichen.

Das Zungenbändchen ist eigentlich kein Band, sondern ein dünnes Häutchen, das die Zunge mit dem Mundboden verbindet. Wenn es zu kurz ist oder zu weit vorne an der Zunge sitzt, ist sie nicht so beweglich. Wie häufig ein zu kurzes Zungenband bei Babys vorkommt, lässt sich nicht eindeutig sagen: Zwischen 2 und 15 Prozent ­aller Neugeborenen sind verschiedenen Stu­dien zufolge betroffen.

Verkürztes Bändchen: Warum kann es Stillprobleme bereiten?

Ein betroffenes Baby schafft es nicht, seinen Mund weit genug zu öffnen und die Brustwarze beim Stillen richtig in den Mund zu nehmen. Oder es verliert immer wieder das Vakuum, das beim Trinken nötig ist. Das kann dazu führen, dass das Baby viel Luft schluckt, oft Bauchweh hat, häufig spuckt oder nicht genug Milch zu sich nimmt. In der Folge bildet die Brust weniger Muttermilch – manche der betroffenen Babys nehmen nicht genug an Gewicht zu und benötigen zusätzlich das Fläschchen. Aber auch dort kann das Saugen schwerfallen.

Das Saugen wird dem Baby erschwert:

„Ein zu kurzes Zungenband kann im Prinzip Stillprobleme jeder Art hervorrufen“, fasst Vero­nika Langenberg, Stillberaterin in Münster und Vorsitzende der Deutschen Fachgesellschaft für Behandlung oraler Restriktionen ­(DEFAGOR), zusammen. „Aber nicht jedes Stillproblem liegt auch daran.“

Probleme auch nach der Stillzeit möglich

Ein zu kurzes Zungenbändchen kann selbst nach der Stillzeit Schwierig­keiten bereiten. Es fällt dem Kind dann zum Beispiel schwerer, Brei oder feste Nahrung zu sich zu nehmen. Und: „Es kann Probleme bei der Sprachentwicklung geben. Außerdem sind Nacken- und Kopfschmerzen noch im Erwachsenenalter möglich, wenn die Zunge ständig falsch im Mund liegt.“ Zahn- und Kieferfehlstellungen können auftreten.

Wo finden betroffene Mütter und Babys Hilfe?

Wer Schwierigkeiten beim Stillen hat, wendet sich am besten zunächst an eine Stillberaterin. Auf der Web­seite der DEFAGOR gibt es eine Liste mit Expertinnen, die spezielle Fortbildungen zum zu kurzen Zungenbändchen gemacht haben. Mit ­ihnen kann man versuchen, die Probleme zum Beispiel durch anderes Anlegen in den Griff zu bekommen.

Klappt das nicht oder ergibt sich während der Beratung ein Verdacht auf ein zu kurzes Zungenbändchen, zeigt die Stillberaterin passende Übungen und verweist an eine kinderärztliche Praxis oder an Kinderzahnärztin oder -zahnarzt. Dort wird die Zunge genau in Augenschein genommen. Zum Beispiel kommt es darauf an, ob und wie ein Baby sie rausstrecken kann: Ist das Bändchen zu kurz, ist die Zungenspitze eingekerbt oder herzförmig? Außerdem beobachten die Fachleute, wie das Baby an der Brust oder aus der Flasche trinkt. Einheit­liche Kriterien, nach denen ein zu kurzes Zungenbändchen festgestellt wird, gibt es in Deutschland aber nicht.

Wann ist ein Eingriff notwendig?

Es kann helfen, das Zungenbändchen zu durchtrennen – in der Fachsprache wird das Frenotomie genannt. „Bei Babys ist das ein kleiner Eingriff, der höchstens 30 Sekunden dauert“, erklärt Kinderzahnärztin Dr. Melanie Linder aus München. Wie genau dieser Eingriff gemacht werden sollte, darüber sind Expertinnen und Experten sich im Moment aber nicht einig. Eine Behandlungsleitlinie, an der sich Ärztinnen und Ärzte orientieren könnten, gibt es in Deutschland nicht.

Manche Fachleute sind der Meinung, ein kleiner Schnitt, der das vordere Zungenbändchen trennt, reiche aus. Dieser Eingriff wird in der Regel ohne Betäubung durchgeführt und es entsteht so gut wie keine Wunde. Andere Expertinnen und Experten sind der Ansicht, dass das Zungenbändchen auch im hinteren Bereich der Zunge durchtrennt werden sollte. Dafür bekommen die Babys meist eine lokale Betäubung und es entsteht eine rautenförmige Wunde.

Der Schnitt ist nicht immer ein Allheilmittel

In diesem Fall müssen Eltern die Zunge während der Heilung immer wieder anheben, damit die ­Wunde so heilt, dass die Zunge mehr Raum bekommt. Bei dieser Art der Trennung sprechen sich einige Fachleute auch dafür aus, die Nachsorge in Zusammenarbeit mit speziell geschultem Fachpersonal etwa aus der Stillberatung und der Logopädie zu machen. Auf diese Weise könnte das Kind die Bewegungsmuster neu und richtig lernen.

Bislang gibt es keine vergleichenden Studien, nach denen die eine oder die andere Methode besser geeignet ist. Der Schnitt ist nicht immer ein Allheilmittel, was die Stillprobleme angeht. Ob der Eingriff die möglichen langfristigen Folgen verhindert, lässt sich nicht vorhersagen.

Eingriff per Schere oder Laser?

Ebenfalls nicht klar ist, womit das Zungenbändchen am besten durch­trennt werden sollte. Möglich sind Schere, Skalpell oder Laser. Auch hier gibt es keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die eindeutige Vor­teile eines Instruments belegen. In Deutschland zahlen die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlung per Schere oder Skalpell. Für eine Trennung per Laser müssen Eltern selbst aufkommen. „Bei den Kosten gibt es regionale Unterschiede“, sagt Melanie Linder.

„Die Preise dürften zwischen 200 und 400 Euro liegen.“ Die Frenotomie birgt, wie jeder Eingriff, Risiken: Zum Beispiel kann der Zungennerv verletzt werden oder die Wunde stärker bluten als erwartet. Deshalb betont Melanie Linder: „Wichtig ist neben einer ganzheitlichen Diagnostik, dass der Operateur weiß, was er tut. Dann ist es ein sicherer Eingriff.“