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Viele Schwangere wissen gar nicht so genau, wo er liegt und wie er aussieht: ihr Damm. Die meisten spüren ihn erst nach der Geburt. Dann, wenn ein Dammriss oder ein Dammschnitt verheilt und die Narbe schmerzt und brennt. "Vor der Geburt behandeln die meisten Frauen ihren Damm oft ein bisschen stiefmütterlich", sagt Prof. Christiane Schwarz, gelernte Hebamme und Professorin für Hebammenwissenschaft an der Universität zu Lübeck

Dabei hat das feste Gewebe zwischen Scheide und After eine wichtige Funktion. "Der Damm ist Teil unserer Beckenbodenmuskulatur, die unseren Körper nach unten hin abdichtet", sagt Dr. med. Babett Ramsauer, Gynäkologin und leitende Oberärztin der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Neukölln in Berlin.

Damm kann bei der Geburt einreißen

Obwohl das Gewebe extrem dehnbar ist, stößt es bei der Geburt eines Kindes manchmal an seine Grenzen. Wenn der Kopf oder die Schulter des Babys geboren werden, kann der Damm an einer bestimmten Stelle, der 6-Uhr-Position (siehe Infografik unten), einreißen. "Solche Dammverletzungen müssen immer genäht werden", erklärt Frauenärztin Ramsauer. Eine gute Versorgung eines Dammschnitts beuge späteren Problemen wie einer Beckenbodensenkung oder Inkontinenz vor.

Damm-Massage beugt vor

Damit der Damm bei der Geburt nicht einreißt, empfehlen viele Experten, ihn auf die Geburt vorzubereiten. "Studien haben gezeigt, dass Erstgebärende seltener unter Dammrissen leiden, wenn sie den Damm in den Wochen vor der Geburt regelmäßig massieren", erklärt Professorin Christiane Schwarz. Ab der 34. Woche sollten Schwangere mit der Damm-Massage beginnen. Unterstützend wirken be­stimmte Öle aus der Apotheke, zum Beispiel Weizenkeimöle oder Vitamin-E-haltige Öle, die den Damm weich und geschmeidig machen. Zur Massage tragen Frauen das Öl entlang der äußeren Schamlippen und zwischen Scheide und After auf. Dann führen sie den Daumen tampontief in die Scheide ein. Mit einem anderen Finger wird nun zum Daumen hin massiert und ein leichter, nicht schmerzhafter, aber spürbarer Gegendruck erzeugt (weitere Varianten siehe Infografik).

So funktioniert die Damm-Massage

"Wenige Minuten reichen meis­tens schon aus", sagt Gynäkologin Babett Ramsauer. Wichtig ist vor allem, die Massage regelmäßig durchzuführen. Die Ärztin empfiehlt, den Damm zweimal täglich zu massieren, um eine spürbare Dehnung zu erreichen. Nicht der einzige Vorteil, findet die erfahrene Geburthelferin Christiane Schwarz. "Durch die intensive Beschäftigung mit dem eigenen Körper lernen sich viele Frauen besser kennen", sagt sie. Das sei im Hinblick auf die Geburt besonders wichtig. "Frauen entwickeln ein Körpergefühl, auf das sie vertrauen können", so die Hebamme. "Und das entkrampft und nimmt ihnen viele Ängste." Gerade in den letzten Wochen vor der Geburt kann es für Frauen jedoch schwierig sein, ihren Damm zu massieren.

Dr. Babett Ramsauer ist Gynäkologin und leitende Oberärztin der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Neukölln in Berlin

Dr. Babett Ramsauer ist Gynäkologin und leitende Oberärztin der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes-Klinikum Neukölln in Berlin

Kurz vor der Geburt stört der Bauch

Der dicke Bauch ist im Weg, mit den Fingern ist der Damm kaum zu erreichen. In dem Fall könnte vielleicht der Partner die Massage ­­übernehmen. Manche Frauen bereiten ihren Damm auch mit einer Art Ballon aus der Apotheke auf die Geburt vor. Dieser wird in den Wochen vor der Geburt regelmäßig in die Scheide eingeführt und vorsichtig aufgepumpt, sodass sich Muskeln und Gewebe schrittweise dehnen. Das soll einen ähnlichen Effekt wie die Damm-Massage haben und kann eventuell einem Dammriss vorbeugen. Auch die Wahl einer geeigneten Geburtsposition kann den Damm schonen.

Christiane Schwarz, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Universität zu Lübeck

Christiane Schwarz, Professorin für Hebammenwissenschaft an der Universität zu Lübeck

"Die typische Rückenlage ist für den Damm am problematischsten, weil alle Kraft auf ihm lastet", sagt Hebamme Schwarz. Eine Position, die die Schwerkraft ausnutzt, wie zum Beispiel eine hockende Stellung, belastet das Gewebe nicht so sehr, der Damm bleibt häufiger ­­intakt. Als wirksamer Schutz vor Verletzungen und zudem als wohltuend haben sich auch warme Kompressen erwiesen, die beim Durchtritt des Köpfchens auf den Damm gelegt werden, wie es auch die aktuelle Leitlinie für die Geburtshilfe empfiehlt.

Ist der Damm gerissen, wird er oft genäht. Die Beschwerden der Dammnarbe verschwinden meis­t innerhalb der ersten paar Wochen. "Frauen soll­ten darauf achten, dass sie viele ballaststoffreiche Nahrungsmittel essen und ausreichend Flüssigkeit dazu trinken, damit sie weichen Stuhlgang haben", sagt Babett Ramsauer. "Das macht die ersten Toilettengänge nach der Geburt weniger schmerzhaft."

Diskussion um den Schnitt

Dammschnitte oder, wie Mediziner sagen, "­Episiotomien" wurden früher bei fast ­jeder Geburt routinemäßig durchgeführt. Durch einen seitlichen Schnitt in den Damm wollte man verhindern, dass das Gewebe zu stark ­überdehnt wird und dauerhaft an Festigkeit verliert.

Ein kontrollierter Schnitt erschien vielen Ärzten sinnvoller, als das Gewebe unkontrolliert einreißen zu lassen. Auch das anschließende Nähen ist bei einem Schnitt deutlich einfacher als bei einem Riss. 2010 wurde noch bei knapp jeder dritten Frau, die ihr Kind vaginal geboren hat, ein Dammschnitt gemacht, 2019 nur noch bei jeder sechsten. "Die Zahlen sind im Vergleich zu früher zwar deutlich zurückgegangen, aber noch immer nicht in allen Fällen medizinisch zu rechtfertigen", sagt Hebamme Christiane Schwarz.

Vor allem das Argument, ­einen unkontrollierten Riss mit einem Dammschnitt verhindern zu können, ist widerlegt worden. So haben ­Studien gezeigt, dass zusätzliche Dammrisse während einer Geburt sogar häufiger vorkamen, wenn zuvor ein Dammschnitt gemacht wurde.­ Wirklich notwendig ist ein Schnitt dann, wenn die Herztöne des Kindes plötzlich schlechter werden. Auch diese Empfehlung findet sich in der Leitlinie für die Geburtshilfe.