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Welche Erreger lösen eine Mandelentzündung aus?

In den meisten Fällen rufen Viren eine Mandelentzündung hervor. "Manchmal sind aber auch Bakterien verantwortlich, am häufigsten Strep­to­kokken", sagt Dr. Ellen Lunders­hausen, Hals-Nasen-­Ohren-Ärztin aus Erfurt und Vizepräsidentin des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte. Besteht bereits eine virale Infektion – zum Beispiel eine Erkältung – kann außerdem ein Bakterienbefall hinzukommen. Ärzte sprechen dann von einer bakte­riellen Superinfektion. Unbehandelt ist jede Form der akuten Mandelentzündung ansteckend. Die Erreger werden durch Niesen und Husten ("Tröpfcheninfektion") übertragen.

Kann ich selbst erkennen, ob es sich um eine virale oder bakterielle Infektion handelt?

"Als Laie lässt sich das nicht unterscheiden", sagt Ellen Lundershausen. Zwar gelten gelblich weiße, eitrige Beläge, auch Stippchen genannt, als Hinweis auf Bakterien. "Ähn­liche Beläge treten aber zum Beispiel auch beim Pfeiffer’schen Drüsen­fieber auf, das durch Viren ausgelöst wird", sagt die Expertin. Deshalb: bei starken Halsschmerzen unbedingt zum Arzt gehen und die Ur­­sache abklären lassen, vor allem wenn weitere Symptome wie etwa Fieber dazukommen. Mithilfe eines Rachenabstriches können Mediziner feststellen, ob zum Beispiel Strepto­kokken für die Entzündung verantwortlich sind.

Wieso trifft es manche Menschen so häufig?

Dass sich gerade bei Kindern mehrmals im Jahr die Mandeln entzünden, ist nicht außergewöhnlich. "Die Gaumenmandeln sind Teil des lymphatischen Rachenrings und erfüllen eine Abwehrfunktion", erklärt Expertin Lundershausen. Ihre Aufgabe ist es, Krankheitserreger im Rachenraum abzufangen und zu bekämpfen. Da das Immunsystem nach der Geburt erst noch ausreifen muss, gelingt es dem Körper im Kindes­alter nicht immer, Erreger unschädlich zu machen. Aber auch bei Erwachsenen sind die Gaumen­mandeln weiterhin infekt­­anfällig. "Beim Blick durch das Mi­kroskop zeigt sich ihre Oberfläche zerfurcht, man spricht dabei von sogenannten Krypten", so die HNO-Ärztin. In diesen Furchen lagern sich häufig Keime ab. Warum aber der eine nie an einer Tonsillitis ("Tonsillae", lateinisch für Mandeln) erkrankt und der andere in einem Jahr fünfmal, ist wissenschaftlich nicht geklärt.

Muss ich bei jeder Mandelent­zündung ein Antibiotikum nehmen?

Nicht zwingend. "Kommt jemand mit Halsschmerzen zu mir, frage ich erst mal, ob es noch andere Symptome wie Schnupfen, Husten, Kopf- oder Gliederschmerzen gibt", sagt Sebastian Pape, Apotheker aus Hannover. "Ist das der Fall, handelt es sich häufig um einen viralen Infekt, der von alleine ausheilt." Feststellen kann das aber nur der Arzt, der den Patienten gründlich untersuchen muss, um eine Diagnose zu stellen. Sind tatsächlich Viren die Ursache, reichen Gurgellösungen, Schmerzmittel oder Lutschtabletten mit einem leicht betäubendem Effekt aus, die außerdem den Speichelfluss anregen. Wichtig bei den Lutsch­tabletten: Sie eignen sich nur für Kinder, die schon lutschen können. Sonst droht Verschluckungsgefahr! Starke Schmerzen, vor allem beim Schlucken, oft von Fieber begleitet, weisen eher auf eine bakterielle Infektion hin. Ob wirklich ein Antibiotikum notwendig ist, entscheidet Ellen Lundershausen aber selbst bei bakteriellen In­fekten von Fall zu Fall. "Bei einer leichteren Mandelentzündung genügen oft Schmerzmittel", sagt sie. Bei Kindern auf die altersgemäße Dosierung achten!

Welche Hausmittel lindern Schluckbeschwerden?

Ein einfaches, aber bei leichteren Verläufen effektives Mittel ist das Gurgeln mit Salzwasser, sagt Sebastian Pape: "Geben Sie einen Tee­löffel Salz auf eine Tasse lauwarmes Wasser, gurgeln Sie mehrmals täglich, und – ganz wichtig – spucken Sie die Lösung wieder aus." Eine ähn­liche Wirkung haben Salzpastillen, die es auch in einer zuckerfreien Variante für größere Kinder gibt, die schon lutschen können. Wohltuend kann es außerdem sein, mit Kamillentee zu gurgeln – wenn keine Allergie gegen Kamille besteht. "Zur äußerlichen Anwendung haben sich zum Beispiel Quarkwickel bewährt, die angenehm kühlen", so Pape. Dazu Quark dünn auf ein Tuch streichen und für etwa 20 Minuten vorne, von Ohr zu Ohr, leicht um den Hals legen.

Ab wann wird die Erkrankung eigentlich chronisch?

Nach aktueller Leitlinie ist der früher verwendete Begriff "chronische Mandelentzündung" nicht mehr ­korrekt, da das Mandelgewebe sich naturbedingt durch seine Abwehrfunktion in einer permanenten physiologischen Entzündungsreaktion befindet. "Wir sprechen heute von einer rezidivierenden, also immer wiederkehrenden Infektion, wenn mehr als fünf bis sechs eitrige, fiebrige Entzündungen pro Jahr auftreten", erklärt Lundershausen.

Wann wird operiert?

Die chirurgische Entfernung der Tonsillen (auch Tonsillektomie genannt) zählt zu den häufigsten operativen Eingriffen bei Kindern und Jugendlichen. Sie wird bei rund 48 von 10000 Kindern durchgeführt. "Allerdings warten Ärzte heute gerade bei kleinen Kindern in der Regel erst mal ab, da sich die Anfälligkeit auswachsen kann", sagt die Fachärztin. Vor dem dritten Geburtstag wird eigentlich nur dann operiert, wenn die vergrößerten Mandeln das Kind bei der Atmung behindern oder wenn eine Antibiotika-Unverträglichkeit besteht.

Treten mehr als sechs eitrige Entzündungen jährlich auf, ist eine Operation sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen zumindest eine Option. Weil der Eingriff aber starke Schmerzen nach sich zieht und das Nachblutungsrisiko recht hoch ist, empfiehlt die Leit­linie inzwischen eher eine schonendere Teilentfernung, auch Tonsillotomie genannt. Dabei verkleinert der Arzt die Gaumenmandeln, was die Infektanfälligkeit ebenfalls verringert. "Ein weiterer Vorteil: Die Abwehrfunktion bleibt teilweise erhalten", ergänzt Lundershausen.

Wie beuge ich einer Mandelentzündung vor?

Hygienemaßnahmen wie regel­mäßiges Händewaschen senken das Risiko einer Erkrankung. Wichtig: Die Schleimhäute feucht halten, ausreichend trinken und trockene Heizungsluft meiden. Und: Bitte keine Gläser oder Trinkflaschen teilen, wenn ein Familienmitglied krank ist. Rauchen, auch passiv, kann die Anfälligkeit erhöhen.

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