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"Mutter werden ist das beste Entwöhnungsmittel, das ich kenne", sagt der Magdeburger Mediziner Professor Gerhard Jorch. "Immerhin zwei Drittel aller Raucherinnen hören in der Schwangerschaft oder nach der Geburt auf zu rauchen." Und das ist gut so. Denn Nikotin gelangt über das Blut der Mutter direkt zum Embryo.

"Es ist die extremste Form des Passivrauchens", sagt Jorch. Wenn werdende Mütter rauchen, riskieren sie unter Umständen das Leben ihrer Kinder. Zigaretten machen eine Fehlgeburt wahrscheinlicher. Die genauen Zahlen variieren je nach Studie: Um 30 bis 80 Prozent steigert Rauchen das Fehlgeburtsrisiko.

Professor Dr. Gerhard Joch war Direktor der Universitäts- kinderklinik Magdeburg

Professor Dr. Gerhard Joch war Direktor der Universitäts- kinderklinik Magdeburg

Jeder Nikotinkonsum der Mutter hat Folgen

Auch wenn die Schwangerschaft ungestört verläuft, bleibt das Nikotin nicht wirkungslos. Es greift in die Hirnentwicklung des Babys ein: Kinder, die im Mutterleib passiv geraucht haben, sind häufig aggressiver als andere und weniger beherrscht.

Besonders Kinder starker Raucherinnen kommen oft auffallend klein und leicht zur Welt. "Rauchen in der Schwangerschaft kann das Kind 500 Gramm Geburtsgewicht kosten", sagt Experte Jorch.

Das liegt an ­einer Unterversorgung im Mutterleib: Das Nervengift Nikotin verengt die Adern der Mutter, Kohlenstoff­monoxid aus dem Rauch vermindert zudem den Sauerstofftransport im Blut. Beides bewirkt, dass weniger Sauerstoff und Nährstoffe zum Embryo gelangen.

Dr. Martina Pötschke-Langer ist Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Nichtrauchen in Berlin

Dr. Martina Pötschke-Langer ist Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Nichtrauchen in Berlin

Risiken: Kindstod und Frühgeburt

Kleine Passivraucher kommen so schon geschwächt zur Welt, manchmal mit gefährlichen Folgen: Ab einem Konsum von mehr als zehn Zigaretten pro Tag in der Schwangerschaft steigt das spätere Risiko für plötzlichen Kindstod (und übrigens auch für eine Frühgeburt) merklich.

Und auch nach der Schwangerschaft ist der Rauchverzicht wichtig: In mehreren Studien hat Gerhard Jorch gezeigt, dass Kinder rauchender Eltern häufiger am plötzlichen Kindstod sterben als andere.

Passivrauch für Schwangere gefährlich

Selbst wenn eine Schwangere lediglich passiv raucht, kann das dem Embryo schaden. Eine belgische Studie zeigt, dass die Zahl der Frühgeburten im vergangenen Jahrzehnt zurückgegangen ist, während das Rauchverbot in öffentlichen Räumen schrittweise verschärft wurde.

Dipl.-Ing. André Conrad untersucht am Umweltbundesamt Berlin, welchen Giften wir ausgesetzt sind

Dipl.-Ing. André Conrad untersucht am Umweltbundesamt Berlin, welchen Giften wir ausgesetzt sind

Pro tausend Geburten verhindere das Rauchverbot offenbar sechs Frühgeburten, schreiben die Forscher. Werdende Väter sollten also ebenfalls frühzeitig versuchen, von der Kippe wegzukommen.

Schon vor der Schwangerschaft aufhören

"Am besten entscheidet man sich als Paar schon für den Rauchstopp, wenn man das erste Kind plant", rät Dr. med. ­Martina Pötschke-Langer, die bis 2016 die Abteilung Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum leitete und seit 2016 Vorstandsvorsitzende des Aktionsbündnisses Nichtrauchen in Berlin ist. Zusatzplus für die Frau: "Sie gönnt ihrem Körper vor der Schwangerschaft Zeit, sich von der Giftzufuhr zu erholen", so die Medizinerin.

Michaela Goecke ist Suchtexpertin an der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln

Michaela Goecke ist Suchtexpertin an der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln

Wenn Eltern vor der Geburt mit dem Rauchen aufhören, beenden sie nicht nur die eigene Abhängigkeit – sie beugen auch einer späteren Sucht ihres Babys vor. Kinder aus Raucherhaushalten paffen als Erwachsene mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst als Nichtrauchernachwuchs.

Babys brauchen rauchfreie Umgebung

Auch nach der Geburt lohnt es sich, für das Baby eine rauchfreie Umgebung zu schaffen, zumal Kinder auf Qualm noch empfindlicher reagieren als Erwachsene. Sie atmen schneller und nehmen so mehr Gift auf – und das bei einem geringeren Körpergewicht. Gleichzeitig können sie die Schadstoffe schlechter abbauen: Ihre Entgiftungsorgane sind noch nicht ganz ausgereift.

Kleine Passivraucher zeigen öfter Schlafstörungen und laufen Gefahr, Dauer­­gäste in der Kinderarztpraxis zu werden: Sie werden von hartnäckigem Husten oder Asthma geplagt, sind anfälliger für Infekte wie Lungen-, Mittelohr- und Hirnhautentzündung. Einige haben schon im Kindesalter ­­einen leicht erhöhten Blutdruck – und damit ein größeres Risiko, später an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu leiden.

Rückstände in Möbeln und Boden

Haben (werdende) Eltern den Rauchstopp geschafft, sollten sie eines unbedingt tun: eine Großputzaktion in der Wohnung starten. "Ein Raum, in dem geraucht wurde, ist immer ein kontaminierter Raum", sagt Pötschke-Langer. Der Rauch schlägt sich auf Boden und Wänden, Spielzeug und Kleidung nieder und hält sich hartnäckig. "Wir kennen mehr als 90 verschiedene Substanzen in Rauchrückständen, die giftig sind. Viele davon sind krebserregend", sagt Pötschke-Langer. "Third Hand Smoke" heißen die Rückstände in der Medizin, zu Deutsch "Rauch aus dritter Hand".

Kleine Kinder kommen damit eng in Berührung: Sie stecken vieles in den Mund und krabbeln über den verseuchten Boden. Noch gibt es keine Studienergebnisse dazu, wie viel Gift sie auf diese Weise aufnehmen und welche Krankheiten daraus entstehen. Zwar kann man Giftstoffe aus dem Rauch im Körper von Kindern nachweisen. Welcher Anteil davon aber vom Passivrauchen stammt und welcher vom Rauch aus dritter Hand, ist oft nicht eindeutig klar. "In unseren Studien erheben wir regelmäßig aktuelle Daten zum Vorkommen von Schadstoffen im Innenraum", erläutert André Conrad vom Umweltbundesamt in Berlin. Damit unterstützt das Umweltbundesamt die weitere Untersuchung von Schadstoffen aus dem Tabakrauch.

Gefahren beim Spielen

Die Kippe ist aus, der Rauch noch da. Wird drinnen gequalmt, sammelt er sich im Teppich und lagert sich auf Spielzeug ab. Und mit ihm zum Teil das Nervengift Nikotin und mehr als 90 schädliche Verbindungen, die Krebs auslösen können: Nitrosamine, Stickstoff­monoxid, Acrylamid, Schwermetalle … 90 Ar­gumente für Rauchfreiheit in der Familienwohnung!

Trotz Putzaktion: Etwas Gift bleibt immer zurück

"Schon nach dem heutigen Wissensstand ist Großreinemachen auf jeden Fall Pflicht", sagt Martina Pötschke-Langer. Und das heißt: Alle Oberflächen schrubben, Pols­termöbel, Teppiche und Vorhänge reinigen oder austauschen. Und am besten alle Wände neu tapezieren. So kann man viel Gift entfernen, wenn auch nicht alles.

In einer Studie beobachteten kalifornische Forscher, dass Raucherwohnungen selbst nach gründlicher Reinigung stärker mit Nikotin belastet waren als die von Nichtrauchern. "Innenräume merken sich regelrecht, dass geraucht wurde", sagt Conrad. Deshalb ist die erste Regel ein striktes Rauchverbot in der Wohnung. Auch in der Kleidung hält sich übrigens der Rauch – zum Qualmen auf den Balkon ausweichen hilft also nur bedingt.

Rauchstopp: So schaffen Sie ihn

Wie gelingt der Abschied von der Zigarette? "Durchatmen. Entspannungstechniken auspro­bie­ren. Und Sport treiben", sagt ­Michaela Goecke, Expertin für Suchtprävention an der Bun­des­zentrale für gesundheitliche Aufklärung. "Letzteres macht auch gleich mehr Spaß, wenn man mehr Puste hat." Sie warnt: "Ein ­häufiger Fehler bei der Rauchentwöhnung ist, am Arbeitsplatz plötzlich auf Pausen zu ­verzichten." ­Also Mut zur Nichtraucher-Pause!

Nikotin kann über die Muttermilch auf das Baby übergehen. Daher diskutieren Forscher noch, ob ein Stillverzicht sinnvoll ist, wenn ­Mütter noch mit dem Rauchstopp kämpfen. Jorch: "Nach unseren Studien ist es der falsche Weg, aufs Stillen zu verzichten." Passivrauchende Babys, die nicht gestillt wurden, hatten das größte Risiko für den plötzlichen Kindstod. "Am bes­ten 30 Minuten vor dem Stillen auf Zigaretten verzichten", fügt er hinzu.

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