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Teilen? Für viele Kleinkinder ist das noch ein Fremdwort. Wie unvorstellbar mag es da erst für sie sein, wenn es nicht um einen Keks oder ein Kuscheltier geht, sondern um Mama oder Papa. Das Liebste, das sie haben! Und dann bringt ausgerechnet das neue Geschwisterchen diese Herausforderung mit sich. Da mag die Vorfreude auf den neuen Spielkumpel noch so groß sein – wenn das Neugeborene in Mamas Arm liegt, dürfte den Kleinen dämmern, was es bedeutet, großer Bruder oder große Schwester zu werden: Alles wird anders!

Das Problem älterer Geschwister

Von Entthronung sprechen Experten, um zu verdeutlichen, was mit dem Erstgeborenen nun passiert: Er oder sie ist nicht mehr der Mittelpunkt des elterlichen Universiums. Im Zentrum des Interesses steht nun das winzige, häufig schreiende Wesen. Kein Wunder, wenn der kleine Ex-Prinz oder die kleine Ex-Prinzesin wütend, traurig oder eifersüchtig reagiert. Sie sind zutiefst verunsichert angesichts der neuen Familienkonstellation – und überfordert.

Den Entthronungsschock können Eltern allerdings deutlich mildern, indem sie ihrem Großen ein bisschen Vorlauf gönnen und es schon während der Schwangerschaft auf Neuerungen vorbereiten. "Es ist eine einschneidende Veränderung, die das Kind direkt betrifft. Deshalb ist es wichtig, diese zu thematisieren", sagt die Kindheitspädagogin Alexandra Pater aus Frankfurt am Main, die auch als Familienbegleiterin bei der Gesellschaft für Geburtsvorbereitung arbeitet. Fühlt sich das Kind eingebunden und wertgeschätzt, reagiert es in der Regel positiv auf das, was kommt.

So bereiten Sie Ihr Kind vor

Wie das gelingt, zeigen die Tipps unserer Expertin:

1. Nicht zu früh ankündigen

Wann Eltern ihrem Nachwuchs erzählen, dass die Mama ein Baby im Bauch trägt, hängt von dessen Alter und Entwicklungsstand ab. "Für sehr kleine Kinder ist die Ansage abstrakt – sie können eher eine Vorstellung davon  entwickeln, wenn der Bauch wächst und das Baby für sie auch erfahrbar wird", sagt die Expertin.

Kleinkinder haben außer­dem noch keinerlei Zeitvorstellung: Heute, morgen oder in sechs Monaten – das können sie nicht einordnen. Daher: lieber später als gleich nach dem posi­ti­ven Schwangerschaftstest die frohe Bot­schaft verkünden.

2. Anschaulich vorbereiten

Ganz klassisch: gemeinsam Bilderbücher zum Thema Geschwisterkriegen an­­schauen. "Da gibt es inzwischen tolle, die recht realistisch vermitteln, was für Veränderungen ins Haus stehen", sagt Alexandra Pater. Ältere Kinder ruhig mal mit zum Ultraschall nehmen.

Besonders schön: mal ein echtes kleines Baby besuchen. Gibt es im Freundeskreis vielleicht eines, das man schon mal in den Arm nehmen darf? Und dann, wenn die Geburt näher rückt, die Babykleidung rausholen und die winzigen Strampler und Bodys bestaunen. Oder sich gemeinsam überlegen, wo zum Beispiel die Wickelkommode stehen soll.

Entlastend: "Selbst ältere Kinder müssen nicht in alle Entscheidungsprozesse eingebunden werden, sondern nur in die, auf die sie Lust haben. Alles andere überfordert sie."

Schafft innige Vertrautheit: dem Großen in der Schwangerschaft immer wieder erzählen, wie die Babyzeit mit ihm war (und sich all die niedlichen Fotos dazu ansehen!). Wie aufregend es zum Beispiel war, als es zur Welt kam, oder wie es die Oma angebrüllt hat, als diese es zum ersten Mal auf den Arm genommen hat.

3. Nichts erzwingen

Locker bleiben und keine Ansprüche stellen wie etwa "Du musst das Baby lieb haben, denn es ist dein Bruder/deine Schwester". Das kann sich nur ins Gegenteil wenden. Auch können Kleine nicht nachvoll­­ziehen, wenn sie Spielzeug, an dem sie noch hängen, für das Baby hergeben sollen.

Allgemein gilt: "Weder eine Überthema­tisierung noch ein In-Watte-­­Packen ist sinnvoll", sagt Pater. Jedes Kind reagiert anders. Daher individuell schauen, was zu seinem Temperament passt. "Manche finden viel Gerede nervig. Ihnen reicht die Info, dass sie ein Geschwisterchen kriegen, und ein Buch zum Thema."

4. Ein realistisches Bild entwerfen

Wenn Kinder erfahren, dass sie einen Bruder oder eine Schwes­ter bekommen, freuen sich die meisten darauf, ab jetzt immer jemanden zum Spielen zu haben. Wissen die Kleinen, dass sie sich auch nach der Geburt noch mal gedulden müssen, ist die Ent­täuschung nicht zu groß. "Ich rate aber, kein zu ne­gatives Bild des Neugebo­renen zu zeichnen, dass es zum Beispiel viel schreien könnte", sagt Alexandra Pater. Lieber darüber informieren, dass Babys oft ganz andere Sachen brauchen als ­größere Kinder, sich noch nicht gut äußern können und vieles erst lernen müssen.

5. Exklusive Zeit mit den Eltern

Sobald das Baby auf der Welt ist, brauchen große Geschwister vor allem eines: Zeit mit Mama und Papa allein. "Das ist nicht immer leicht, aber ganz wichtig!", sagt Alexandra Pater. Vielleicht können Großeltern oder ein Babysitter mit dem Baby spazieren gehen, während man selbst mit dem Großen spielt?

Und wenn sich das neue Familienleben schon ein bisschen eingependelt hat, mag das Große vielleicht auch mal alleine mit Oma oder Opa unterwegs zu sein – ohne sich abgeschoben zu fühlen. Und Nähe zulassen: Das ältere Kind viel mit dem Baby kuscheln lassen und ihm immer wieder sagen, wie wichtig und schön seine Hilfe bei den alltäglichen Arbeiten mit dem Kleinen ist.

6. Plötzlich wieder Baby

Auf einmal will das ältere Kind wieder eine Windel. Oder es beginnt in Babysprache zu reden. Ein Phänomen, das normal ist, aber Feingefühl erfordert. "Ich würde zu großer Achtsamkeit raten und nicht nur abblocken und 'Du bist doch schon groß' sagen", erklärt Pater. Falls das Kind schon gut sprechen kann, können Eltern nach­fragen, warum es wieder eine Windel möchte. Oder eine ­Alternative anbieten, etwa den Teddy oder die Puppe zu wickeln.

Auch beim Thema Babysprache gilt: zunächst darauf eingehen, dann abwägen. Entweder dem Kind erklären, warum man nicht möchte, dass es in Baby­sprache spricht, oder es hinnehmen. Schlecht wäre, ängstlich oder unwirsch zu reagieren. "Rollenspiele und Erprobungen sind völlig normal."

7. Frust vermeiden

Auch gut vorbereitete Kinder ­zeigen manchmal Eifersucht oder Aggressionen, wenn das Baby auf der Welt ist. "Hinter diesen Gefühlen stehen echte Bedürfnisse und gerade bei Kleinkindern kein planvolles Verhalten oder Kalkül", erklärt Alexandra Pater.

Fangen Kinder nach der Geburt des Geschwisterchens an zu hauen oder zu beißen, ­füh­len sie sich oft nicht richtig gesehen. Zum Beispiel, weil die Eltern die Bedürfnisse des ­Babys immer zuerst befrie­digen müssen. Da gilt: genau hinschauen, in welchen Situa­tionen das Verhalten auftritt, und überlegen, wodurch der Frust entstanden sein könnte.

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