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Viele Eltern sind unsicher: Ab wann kann ich mein Kind alleine in die Schule schicken? "Eine pauschale Antwort gibt es nicht, denn das hängt vom Schulweg und dem Entwicklungsstand des Kindes ab", sagt Björn Frauendienst, Geograf und Forscher an der Ruhr-Universität Bochum. Aber im Laufe der Grundschulzeit sollten Kinder lernen, sich selbstständig im Straßenverkehr zurechtzufinden – zumindest auf bekannten Routen.

Die Route: Unübersichtliche Stellen meiden

"Nicht den kürzesten Weg wählen, sondern den sichersten", sagt An­dreas ­Hölzel vom ADAC in München. Viele Grundschulen bieten Schulweg­pläne an, Gefahren­stellen sind dort vermerkt und sichere Wege eingezeichnet. Überprüfen Sie die Wege trotzdem: Gibt es neue, un­übersichtliche ­Stellen, zum Beispiel eine Baustelle? An manchen Ecken helfen auch Schülerlotsen den Kleinen über die Straße. "Sie sind Gold wert, die Kinder kennen und respektieren sie", so Hölzel.

"Am günstigsten ist es, wenn alle Kreuzungen durch Ampeln geregelt sind", sagt Frauendienst. Das Signal durch das rote oder grüne Licht sei für Kinder am verlässlichsten. Falls das nicht der Fall ist: Begeben Sie sich mit dem Kleinen auf Augenhöhe, wenn Sie die Route festlegen. Dann wird schnell klar: Gefährlich beim Überqueren der Straße sind beispielsweise parkende Autos. Bringen Sie Ihrem Kind bei, die Straße ein paar Meter weiter zu kreuzen, an einer übersichtlicheren Stelle.

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Die Ausrüstung: Leuchtende Farben bevorzugen

Die Kleinen müssen im Straßenverkehr gut zu sehen sein. "Jacken, Mützen und Ranzen sollten auffällig und mit retroreflektierenden Materialien ausgestattet sein", sagt Andreas Hölzel. Sie werfen das Licht zurück, wenn sie angestrahlt werden – wichtig vor allem am Morgen, wenn es im Herbst und im Winter noch dunkel ist. Die meisten Erstklässler bekommen zum Schulanfang außerdem eine Warnweste, der ADAC stattet fast alle Grundschulen in Deutschland damit aus.

Das Training: Zu viel Üben geht gar nicht

"Den ­Schulweg üben Eltern am besten mit ­ihren Kindern schon einige Wochen vor dem Schulstart", rät ­Hölzel. Gehen Sie die Strecke immer wieder gemeinsam ab – am besten jeweils zur passenden Tageszeit, also morgens und mittags. "Das Wichtigste ist, dass Mütter und Väter sich ihrer Vorbildfunktion immer bewusst sind und sich, auch in anderen Situationen, entsprechend verhalten", sagt Frauendienst. Erst als Zweites kommt das aktive Üben hinzu.

Erläutern Sie dem Kleinen beim Abgehen des Weges Verhaltens- und Verkehrsregeln möglichst anschaulich. "Eltern sollten ihrem Kind zunächst den Unterschied erklären zwischen dem Bürgersteig, also dort, wo man gehen kann, und der Straße, dort, wo die Autos fahren", sagt Frauendienst. Der erste große Schritt ist es dann, dem Kind verständlich zu machen, dass es an der Bordsteinkante stehen bleiben muss. Beim Straßeüberqueren ist es wichtig, nicht auf das Kind einzureden oder sich zu unterhalten. Auch hier ist die Vorbildfunktion der Eltern gefragt: Nebentätigkeiten werden eingestellt, alle konzentrieren sich auf den Verkehr.

Meist nicht geeignet in der frühen Verkehrserziehung ist beispielsweise die Links-rechts-links-Regel. Sie besagt, dass man vor dem Überqueren einer Straße erst nach links, dann nach rechts und dann wieder nach links schauen soll. "Wenn das Kind den Unterschied zwischen rechts und links noch gar nicht kennt, ist die Regel sinnlos", erklärt Frauendienst. Trotzdem sollten die Eltern diese Regel immer befolgen, um dem Kind das richtige Verhalten vorzuleben.

Die Kontrolle: Prüfung durch Rollentausch

Nach einigen Wochen oder Monaten gemeinsamen Schulweg-Training können Sie überprüfen, ob Ihr Kind die Verkehrsregeln verstanden hat. Lassen Sie das Kleine voran gehen und die Regie übernehmen. Fordern Sie es auf, Ihnen den Schulweg zu erklären und greifen Sie nur bei Fehlern ein. Kinder tendieren dazu, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen, selbst wenn sie eine Regel einmal verstanden haben. Studien haben gezeigt, dass 50 Prozent der Acht- bis Neunjährigen in mehr als jeder vierten Situation die Regeln nicht korrekt anwenden. Da hilft nur: Üben, üben, üben. Sie können am besten selbst beurteilen, wann Ihr Kind die Verkehrsregeln verstanden hat.

Kann das Kind den Schulweg alleine bewältigen, sollten Sie es morgens rechtzeitig losschicken, damit es nicht in der Eile Fehler macht. Günstig ist, wenn das Kind mit einem Freund oder einer Freundin zusammen geht. Hin und wieder sollten Sie auch später noch die Verkehrssicherheit Ihres Nachwuchses kontrollieren, indem Sie ihn auf dem Schulweg begleiten. "Vorleben, üben, kontrollieren – das ist eigentlich alles, was Eltern tun können", so Frauendienst.

Die Notlösung: Auto ist für den Schulweg ungeeignet

Auch wenn es vielleicht Zeit spart, bringen Sie Ihr Kind nicht mit dem Auto zur Schule. "So vermeiden Eltern ein Verkehrschaos vor der ­Schule und erziehen ihr Kind gleichzeitig zu Selbstständigkeit und Mobilität", sagt Hölzel. Haben Kinder schon morgens ihren Bewegungsdrang etwas gedeckt, sind sie außerdem in der Schule viel ruhiger.

Und muss es doch mal das Auto sein: Parken Sie ein Stück von der Schule entfernt, und lassen Sie Ihr Kind das letzte Stück alleine laufen. Achten Sie auf die anderen Schüler, und fah­ren Sie im Schritttempo – auch wenn Tem­po 30 gilt!

Der Sonderfall: Mit dem Bus zur Schule

Der Schulbus ist ein sicheres Verkehrs­mittel. Das Problem ist eher die Halte­stelle: Da wird gerauft, gedrängelt und getobt, meist gefährlich nah an der Straße. Hölzel rät Eltern daher, ihr Kind nicht zu früh zur Haltestelle zu schicken, damit es dort nicht zu lange warten muss. Wichtig: Kinder überqueren die Straße nicht ­direkt vor oder hinter dem Bus, sondern am nächsten Zebra­streifen oder an der Ampel. Eine Gefahren­quelle sind auch Autofahrer: Sie überholen zu früh oder zu schnell und können Kinder leicht über­sehen. Es gilt: Steht der Schulbus mit eingeschaltetem Warnblinker an der Haltestelle, darf man nur im Schritttempo vorbei.

Für Größere: Auf das Fahrrad nur mit Helm

Mit Rad oder ­Roller fah­ren Kinder erst zur Schule, wenn sie ­ihre Fahrradprüfung bestanden haben. "Die wird in der dritten oder vierten Klasse abgenommen", so Hölzel. Ob ihr Kind danach allein am Verkehr teilnehmen kann, müssen Eltern individuell entscheiden. Das Kind sollte sich auf den Verkehr konzentrieren können, vorausschauend fahren und das Rad im Griff haben. Die Fahrrad-Strecke sollten Eltern mit ihrem Nachwuchs noch einmal separat einüben. Und: Auf dem Fahrrad immer einen Helm tragen. Bis zum zehnten Lebens­jahr müssen Kinder übrigens auf dem Gehsteig fahren.